Sven Hedin (1865-1952) – Schwedischer Wegbereiter des Nationalsozialismus

Sven Hedin wurde 1865 als Sohn des Architekten Ludvig Hedin und seiner Frau Anna Berlin in Stockholm geboren. Nach dem Abitur unternahm er eine erste Reise nach Persien, danach studierte er Geologie in Stockholm, Uppsala, Berlin und Halle.

Von 1893 bis 1908 unternahm er drei große Expeditionen nach Zentralasien und schrieb darüber populärwissenschaftliche Bücher und berichtete in zahlreichen Vorträgen darüber.

Dadurch wurde er als schwedischer Entdecker und Forschungsreisender international bekannt und lernte zahlreiche Monarchen und Staatsmänner kennen, die er bewunderte. Er wurde international anerkannt und von wissenschaftlichen Akademien geehrt. 1905 wurde er Mitglied der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften.

Im Ersten Weltkrieg positionierte er sich einseitig auf Seiten des Deutschen Kaiserreiches, z.B. in seinen Büchern: „Ein Volk in Waffen. Dem deutschen Heer gewidmet“, 1915, und „Nach Osten“, 1916, und traf sich mehrfach mit Kaiser Wilhelm II. Er interpretierte den ersten Weltkrieg als Kampf der nordisch-germanischen Rasse gegen das asiatische Russland und würdigte den zurückgetretenen deutschen Kaiser. Er unterstützte die Dolchstoßlegende und bedauerte den Sieg der Demokratie. Damit leistete er einer deutschen Expansionspolitik nach Osten gedanklich Vorschub.

1927 bis 1935 unternahm er eine letzte große Expedition nach Zentralasien, genannt „Chinesisch-Schwedische Expedition“, die zunächst von der deutschen, später von der schwedischen und schließlich von der chinesischen Regierung Chiang-Kaisheks finanziert wurde. Eine Beteiligung chinesischer Wissenschaftler kam nur gegen chinesischen Widerstand zustande. Dort erkundete er auch die Möglichkeiten für Langstreckenverbindungen, um wirtschaftsimperiale Ambitionen des deutschen Reichs zu verwirklichen.

Nach seiner Rückkehr traf er 1935 erstmals Adolf Hitler, den er bewunderte, und dem er über die Ergebnisse seiner Reise berichtete. Danach traf er mit Hitler und weiteren NS-Führungspersonen wiederholt zusammen und unterstützte das NS-Regime und seine Expansionsinteressen. Durch öffentliche Auftritte, Publikationen und Medieninterviews unterstützte er die judenfeindliche NS-Politik, propagierte die „Germanische Rasse“ und vertrat die irrwitzige Idee der „jüdischen Weltverschwörung“.

In seinem 1937 veröffentlichten Buch „Deutschland und der Weltfrieden“ rühmte er die Errungenschaften der nationalsozialistischen Regierung und die angeblich friedliche Politik Hitlers. Zwar äußerte er sich darin auch kritisch gegenüber der Vertreibung jüdischer Wissenschaftler, „weil deren Entlassung für Deutschland schädlich gewesen sei“.

Grundsätzlich hielt er aber die Maßnahmen gegen die „jüdische Macht und Zerstörungswut“ gerechtfertigt. Vor allem beklagte er, dass die meisten Juden eher russisch als deutsch dachten, und als Fremdlinge „den Deutschen“ sehr geschadet hätten. Dass er sich gleichzeitig für einzelne jüdische Wissenschaftler gegenüber Hitler einsetzte, die ihm persönlich nahestanden, wie z.B. den Geographieprofessor Philippson, seinem früheren Studienkollegen, änderte nichts an seiner antisemitischen Haltung.

Auch im neutralen Schweden warb Hedin für den Nationalsozialismus und scheute sich nicht, Gegner des Nationalsozialismus publizistisch anzugreifen. Z.B. lehnte er die Verleihung des Friedensnobelpreises an den im KZ inhaftierten Carl von Ossietzky wegen dessen antideutscher Haltung ab. Er selbst nahm zahlreiche Ehrungen aus dem nationalsozialistischen Deutschland an, z.B. wurde er eingeladen, 1936 bei den Olympischen Spielen eine Rede zu halten, und 1938 wurde ihm die Ehrenplakette der Stadt Berlin überreicht. 1943 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität München.

Einen Tag nach Hitlers Tod im Mai 1945 würdigt er ihn in der schwedischen Tageszeitung Dagens Nyeter mit folgenden Sätzen: „Heute bewahre ich eine tiefe und unauslöschliche Erinnerung an Adolf Hitler und betrachte ihn als einen der größten Menschen, den die Weltgeschichte besessen hat. Nun ist er tot. Aber sein Werk wird weiterleben. Er verwandelte Deutschland in eine Weltmacht. Jetzt steht dieses Deutschland am Rande eines Abgrunds, da seine Widersacher seine anwachsende Stärke und Macht nicht ertragen konnten. Aber ein Volk von achtzig Millionen, das sechs Jahre lang gegen die ganze Welt mit Ausnahme Japans Stand gehalten hat, kann nie vernichtet werden. Die Erinnerung an den großen Führer wird im deutschen Volk Jahrtausende von Jahren weiterleben.“

Ab 1935 lebte Hedin in Stockholm, wo er 1952 starb.

Nach dem Krieg wurde er zwar wegen seiner politischen Haltung international isoliert, genoss aber, vor allem in Schweden, weiterhin einen guten Ruf als Entdecker und Forscher. Seine rassistische und antisemitische Haltung scheint viele Jahrzehnte lang ignoriert oder vergessen worden zu sein. Wie sonst ist erklärbar, dass weiterhin Orte, Straßen und Plätze nach ihm benannt wurden, auch noch im Jahre 1985 erstmals in Mannheim.

Gisela Kerntke

Literatur:

Gutachten von Dr. Bernhard Gißibl und Prof. Dr. Johannes Paulmann (Leibniz-Institut für Europäische Geschichte, Mainz) zu den Namensgebern der Gustav-Nachtigal-Straße, Leutweinstraße, Lüderitzstraße und des Sven-Hedin-Wegs in Mannheim-Rheinau im Auftrag des MARCHIVUMS, 2020