Ein lesenswerter Politthriller, der zur Beschäftigung mit der Umweltzerstörung im Nigerdelta und der Rolle multinationaler Konzerne anregt.
Wer in diesen Tagen des coronabedingten Rückzugs gleichzeitig ein spannendes Buch lesen und sich mit den Verhältnissen im postkolonialen Afrika beschäftigen möchte, liegt mit dem Kriminalroman „ÖL AUF WASSER“ von Helon Habila richtig.
Der Autor führt uns nach Port Harcourt, Nigeria, ins Delta des Nigers. Der Journalist Rufus sieht seine Chance endlich groß rauszukommen. Er soll über die Entführung einer Frau berichten. Sie ist Britin, weiß und die Frau eines hochrangigen Managers einer ausländischen Ölgesellschaft. Begleitet von seinem älteren Kollegen Zaq versucht Rufus der Entführten auf die Spur zu kommen. Mit zwei Ortskundigen machen sie sich mit einem Motorboot auf die Reise ins weitläufige Delta des Nigers. Hier werden die beiden Journalisten mit einer ölverpesteten, apokalyptischen Welt konfrontiert, die ihren Bewohnern keine Heimat mehr bietet. Mit wachsendem Entsetzen müssen sie sich der Zerstörung der Umwelt und der Eskalation der Gewalt stellen. „Öl auf Wasser“ ist ein packender Politthriller –Bildungsroman und Umweltkrimi gleichermaßen. Absolut lesenswert!
Die Lektüre des Buches – als Büchergildebuch inzwischen vergriffen, aber beim Heidelberger Verlag DAS WUNDERHORN nach wie vor zu haben – hat mich angeregt, mich ein wenig mit den Hintergründen der Umweltkatastrophe im Nigerdelta zu beschäftigen. Hier ein paar weiterführende Links:
ARTE-DOKUMENTATION: Nigeria: Die Ölpest im Nigerdelta | Doku | ARTE – YouTube
GLOBAL2000: Shell und die Ölpest im Nigerdelta | GLOBAL 2000
DEUTSCHE WELLE: Shell zahlt Millionen-Entschädigung in Nigeria | Aktuell Welt | DW | 12.08.2021
DEUTSCHLANDFUNK: Nigerias Öl – Der Fluch im Nigerdelta (deutschlandfunk.de)
70 Jahre Ölförderung im Nigerdelta, noch in der Kolonialzeit begonnen, haben zu einer gewaltigen – in Europa kaum vorstellbaren – Umweltkatastrophe geführt. Der Kampf gegen diese Zerstörung ist alt. Das im Januar 2021 nach jahrelangem Kampf der Betroffenen gegen den Ölmulti Shell erstrittene Urteil ist nur ein schmaler Erfolg. Nach wie vor will der Konzern die Annahme des Urteils nicht als Schuldanerkenntnis verstanden wissen. Auch ist angesichts des Ausmaßes der Zerstörung die Entschädigungssumme lächerlich klein und fraglich, was am Ende davon tatsächlich bei den geschädigten Gemeinden im Nigerdelta ankommt. Es geht nicht um ein kleines Gebiet, in dem durch die Ausbeutung der Ölquellen Lebensgrundlagen zerstört wurden. Es geht um das ganze Delta! Vor dem Hintergrund der gewaltigen Umweltzerstörung dort werden die multinationalen Ölkonzerne wie auch die nigerianische Zentralregierung ihrer Verantwortung nicht gerecht. Nach wie vor bleiben die Menschen im Nigerdelta vom reichen Norden allein gelassen. Für den Profithunger der Ölkonzerne und den Energiehunger der Industriestaaten werden ihre Lebensgrundlagen zerstört.
Bernhard Reinbold