Die Kaufleute, Bankiers und Unternehmer (tatsächlich alle männlich!) der aufstrebenden Handels- und Industriestadt Mannheim waren im ausgehenden 19. Jahrhundert mit der globalen Wirtschaft verflochten und am Geschäft mit Kolonien beteiligt. Ein Netzwerk von Investoren arbeitete Hand in Hand mit der Kolonialpolitik.
1882 gründeten mehr als 200 Mannheimer Kaufleute, Industrielle und Bankiers unter dem Vorsitz des Handelskammerpräsidenten Philipp Diffené die deutschlandweit erste Sektion des Deutschen Kolonialvereins (später Deutsche Kolonialgesellschaft). Dessen Ziel war, die Gründung deutscher Kolonien mit „Handelsstationen“ und „größeren Unternehmungen“ voranzutreiben.
Eine ganze Reihe von Bankiers, Kaufleuten und Unternehmern aus Mannheim kaufen ab 1885 Anteile der großen Kolonialunternehmen in Afrika, die afrikanische Regionen kolonisieren und ausbeuten sollten. An der „Kolonial-Gesellschaft für Südwest-Afrika“, der „Kamerun-Land- und Plantagen-Gesellschaft“und der „Deutsch-Ostafrikanische-Gesellschaft“ waren heute noch bekannte Industrielle wie Ernst Böhringer, Friedrich Engelhorn, Karl Reiss und Heinrich Lanz beteiligt.
Ferdinand Scipio, der in alle Kolonialgesellschaften investierte, erwarb 1898 in Kamerun für die Anlage von Plantagen Land , von dem die ursprünglichen Bewohner*innen vertrieben worden waren.

Viele Mannheimer Industriebetriebe begründeten Ihren Erfolg auf der Verarbeitung von Kolonialprodukten. Indigo spielte eine wichtige Rolle für die Farbenindustrie, Chinarinde für die Pharmaindustrie. Aus Kautschuk wurden in Gummifabriken vielerlei Produkte hergestellt. Tropische Ölfrüchte wurden zu Seife, Margarine und Schuhcreme verarbeitet, Jute zu Säcken, Sisal zu Seilen. Tropenhölzer wurden für Möbel und Inneneinrichtungen interessant. Kaffee, Kakao, Gewürze, Tee und Südfrüchte wurden in steigender Menge in Kolonialwarenhandlungen angeboten.
Mannheimer Firmen profitierten auch von den neuen Absatzmärkten, welche die Kolonien boten. Mit unter-schiedlichsten Industriewaren wie z.B. Zündhölzer, Knöpfe, Stoffe, Messer, Gewehre und alkoholische Getränke – vermutlich auch in Mannheim bzw. der Region hergestellt – wurden in den Kolonien Begehrlichkeiten geweckt. In Schiffen, Bergwerken und in den Farmen deutscher Siedler kamen Maschinen aus Mannheim zum Einsatz. So warb Lanz in Kolonialzeitungen für Lokomobile, Dampf-Dreschmaschinen und Milchzentrifugen. Die Firma Benz bot Klein- und Dieselmotoren, Schiffsmaschinen und Sauggasanlagen an. Bilfinger & Grün beteiligte sich am Bau mehrerer Häfen in Afrika. Kleinere Firmen warben für ihre Mittel zur Unkraut- und Schädlingsbekämpfung.
Bis heute bestehen ,neokoloniale’ Strukturen. Wirtschaft und Verbraucher*innen profitieren von der geringen Entlohnung und schlechten Arbeitsbedingungen im globalen Süden.