Die Eigentumsfrage im Kulturausschuss neu definiert

Stimmen aus dem Kulturausschuss zu den Benin-Bronzen in den Reiss-Engelhorn-Museen 8.7.2021,
Kapitel 2

Die Ernennung von Kunstschätzen, die aus kolonialen Raubzügen stammen, zu „Weltkulturerbe“ durch den Kulturausschuss ist ein eher unkonventioneller Vorgang. Bei der UNESCO sind sie bislang nicht gelistet. Und selbst wenn, dann würde dies die Rechte der Herkunftsorte stärken. Laut wikipedia soll der Schutz des Welterbes das besonders sensible kulturelle Gedächtnis, die gewachsene kulturelle Vielfalt und die wirtschaftliche Grundlage eines Staates, einer Kommune oder einer Region erhalten. Karl Habsburg- Lothringen, Präsident von Blue Shield International bei einem Einsatz im April 2019 im Libanon: “Kulturgüter sind ein Teil der Identität der Menschen, die an einem bestimmten Ort leben. Zerstört man ihre Kultur, so zerstört man damit auch ihre Identität.“ 

Weiblicher Kopfschmuck aus dem Volk der Mbukushu aus der Zeit zwischen 1900 und 1950 aus dem Gebiet zwischen Botswana und Namibia. Autor: Sailko – Eigenes Werk, CC BY 3.0

Benin/Nigeria

Die Einwohner des Königreiches Benin, das Volk der Edo nutzte keine Schriftsprache. Ab dem 16. Jahrhundert stellten Zünfte Bronzeskulpturen und -tafeln im Auftrag des königlichen Hof des Oba her. Es erzählte die Geschichte seiner mächtigen, Jahrhunderte alten Zivilisation kunstvoll auf Tafeln, die den Palast zierten. „Die Plünderung war, als wenn ein Buch in Stücke gerissen wurde.“
Kokunre Eghafona, s.u.

Herero/Namibia

„Ich denke, die Ekori sollten nach Hause zurückkehren“ Cynthia Schmming, s.u.
Das ‚Ekori‘ ist ein Kopfschmuck, den Herereo- Frauen in der vorkolonialen Zeit im heutigen Namibia trugen. Es wurde kunstvoll aus Leder, Eisenperlen und Stickereien hergestellt, ebenso wie Halsketten, Arm- und Beinschmuck. Missionare verboten diese Art von Schmuck. Teil der Kolonialisierung war die Unterbindung vorheriger Lebensweisen und das Ausmerzen jeder kulturellen Identifikation. Der Völkermord an Ovaherereo und Nama führte schließlich dazu, dass das Wissen über diese handwerkliche Kunst nicht mehr weiter gegeben werden konnte. Cynthia Schimming, eine Modeschöpferin aus Namibia beschreibt, wie sie erst im ethnologischen Museum in Berlin Gelegenheit hatte, die Herstellung dieses Schmuckes zu studieren. Dort befinden sich vierzehn Ekori, in Namibia sind noch drei Exemplare. Mehr erfahren
Ekoris tauchen auch im europäischen privaten Kunsthandel auf. Mehr erfahren

Die Beispiele aus den beiden Ländern stehen für die einzigartige Bedeutung des kulturellen Erbes für die Menschen. Für sie sind die Kulturgüter, die u.a. in Mannheim in Depots lagern, essentiell. Schon 1978 mahnte der UNESCO-Generaldirektor Amadou Mahtar M‘Bow: “Die Frauen und Männer dieses Landes haben ein Recht darauf, Kunstschätze zurück zu erhalten, die ein Teil ihres Seins sind…Sie fordern, dass ihnen wenigstens die repräsentativsten Kunstschätze ihrer Kultur zurück gegeben werden, diejenigen, die für sie am wichtigsten sind und deren Abwesenheit für sie psychologisch am schwersten zu ertragen ist. Diese Forderung ist legitim.“

Weitere ehemalige Kolonialländer fordern seit Jahrzehnten ihr Eigentum zurück. Äthiopien, Ghana, Kamerun , Kongo, Madagaskar, Mali, Tansania und weitere Länder außerhalb Afrikas warten bislang vergeblich auf Restitution.

Margarete Würstlin, September 2021

Quellen

Karl Habsburg-Lothringen nach wikipedia

Kokunre Eghafona, Professor für Kulturanthropologie an der Universität von Benin, zitiert nach Catherine Hickley

Cynthia Schimming, Ekori : Namibia, in Zeitschrift für Ideengeschichte Heft XV/1 2021

Heike Wintershoff 2011, Der profane Kultwert. Echtheitskonzepte afrikanischer Objekte von Museen, Auktionshäusern und Sammlern

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