Anna Kakurukaze Mungunda wuchs in einem Vorort von Windhoek auf. Sie gehörte als eine enge Verwandte des Herero-Chiefs Hosea Kutako der Mungunda-Dynastie an. Sie war unverheiratet, hatte keine Kinder und arbeitete als Hausangestellte. Ende der Jahrzehnts 1950 wurden die Anwohner*innen gezwungen in neue nach rassistischen Kriterien getrennten Vororten zu ziehen. Schwarze wurden nach Katutura (Otjiherero für „der Ort, wo wir nicht leben können“) umgesiedelt. Die vom Apartheid-Regime als „Coloured“ klassifizierten Menschen mussten nach Khomasdal.
Vor allem die Frauen gingen gegen die Zwangsumsiedlung auf die Straße. Am 10. Dezember 1959 – dem Internationalen Tag der Menschenrechte – nahm auch Anna Kakurukaze Mungunda an einer Demonstration teil. Bei dem später als Old Location Massacre bezeichneten brutalen Vorgehen der Truppen des südafrikanischen Apartheidregimes wurden zahlreiche Menschen verletzt oder getötet. Als Anna Mungunda Benzin über das Auto des Bürgermeisters Jaap Snyman goss, wurde sie erschossen.
Heute wird an ihrem Todestag in ganz Namibia an sie erinnert. In Windhoek sind eine Straße, ein Markt und ein Studentenwohnheim nach ihr benannt. 2004 taufte Präsident Sam Nujoma ein Patrouillenboot der Marine auf Mungundas Namen. In seiner Rede erinnerte er an ihr Begräbnis: „Als ich den Leichnam von Ms. Mungunda erblickte, sah sie im Tod noch schön aus. Es trieb mich an, den Unabhängigkeitskampf weiter zu führen.“ Anna Mungunda gehört zu den einzigen beiden Frauen, die auf Namibias Nationalfriedhof, dem Heroes’ Acre, begraben liegen. Dennoch ist es heute auch in Namibia schwer, mehr über Anna Mungundas Leben zu erfahren, weil sie sehr zurückgezogen lebte.
Informationen zum historischen Hintergrund
Im 1. Weltkrieg eroberten die Truppen der Südafrikanischen Union 1914 und 1915 die deutsche Kolonie Südwestafrika. Nach dem Krieg mussten etwa 6.400 der damals in Namibia lebenden 13.000 Deutschen das Land verlassen. Im Versailler Vertrag wurde geregelt, dass Deutschland seine Kolonien abgeben musste.
Deutsch-Südwestafrika wurde 1919 zunächst Mandatsgebiet des Völkerbundes, bevor der Völkerbund 1921 der Südafrikanischen Union die Verwaltung Namibias als Treuhandgebiet übertrug. Faktisch wurde Namibia dadurch zur Kolonie der Südafrikanischen Union, das seine eigenen Gesetze der Rassentrennung (Apartheid) einführte. Die Einkünfte aus den Ressourcen insbesondere der Diamanten Namibias flossen zur Besatzungsmacht. In den folgenden Jahrzehnten erhob Südafrika (Die Umbenennung erfolgte im Mai 1961) immer wieder den Anspruch, Namibia einzugliedern, und verwaltete es de facto als seine fünfte Provinz.
Wie in Südafrika wurde auch in Namibia die Rassentrennung eingeführt. Die Mandatsverwaltung entschied in den 1950er Jahren, alle schwarzen Einwohner aus ihren Wohngebieten in Townships umzuquartieren. Die schwarze Bevölkerung weigerte sich, ihre Wohnorte zu räumen. Sie organisierte Massendemonstrationen. Doch die südafrikanische Polizei griff hart durch, Menschen wurden erschossen. Bei einer Demonstration wurde Anna Mungunda 1959 ermordet.
In den 1960er Jahren führte das Apartheid-Regime mit dem sogenannten Homeland-System eine striktere Trennung der Bevölkerungsgruppen ein. Außerhalb der zugewiesenen Territorien, wie etwa dem Herero- oder Nama-Land, waren dauerhafte Aufenthalte verboten.
Im Laufe der Dekolonisierung Afrikas nach dem zweiten Weltkrieg entwickelte sich auch in Namibia in der einheimischen Bevölkerung ein immer stärkeres Nationalbewusstsein und das Streben nach Unabhängigkeit. 1960 wurde die 1958 gegründete ‘Ovamboland People’s Organisation (OPO)’ in ‘South West African People’s Organization (SWAPO)’ umgewandelt. Die SWAPO bildet von da an international das politische Sprachrohr der nicht-weißen Namibier. Ende 1966 entzog die UNO (in der Funktion als Nachfolger des Völkerbundes) Südafrika das Treuhandmandat für Namibia, was Südafrika aber nicht anerkannte. Dieses Ereignis markierte den Beginn des namibischen Unabhängigkeitskrieges, eines fast ein Vierteljahrhundert Jahre dauernden ‘asymmetrischen’ Buschkrieges zwischen den SWAPO-Guerillakämpfer*innen auf der einen und südafrikanischem Militär und Paramilitärs auf der anderen Seite. Namibia erlangte im Zuge des Namibischen Befreiungskampfes am 21. März die Unabhängigkeit von Südafrika. Der 21. März ist seitdem Nationalfeiertag des Landes.
Johannes Hauber