Ferdinand Scipio und Wilhelm Scipio – prominente Mannheimer Kolonialunternehmer in Afrika

1. Aktivitäten von Ferdinand Scipio (1837 bis 1905)

Ferdinand Scipio bewirtschaftet als universitär ausgebildeter Zivilingenieur zunächst seine zwei Güter im Odenwald, wo er u.a. ein Drainagesystem für nasse Böden entwickelt. 1870, mit 33 Jahren übergibt er die Güter zwei Verwaltern und wird Unternehmer, zunächst im Bereich Banken. Er ist in sieben Banken als Mitbegründer und/oder Aufsichtsrat tätig, und in vier Unternehmen. Außerdem geht er als Abgeordneter für die Nationalliberale Partei in den Reichstag.

Seit 1883 war Scipio Mitglied im Deutschen Kolonialverein. Dieser Verein wurde 1882 gegründet und 1887 umbenannt in Deutsche Kolonialgesellschaft. In der Sektion Mannheim der Deutschen Kolonialgesellschaft war Scipio von Beginn an im Vorstand aktiv. 1899 bis 1903 ist er Vorstand der Mannheimer Ortsgruppe.

1889 wird er Mitglied der „Kommission zur Bekämpfung des Sklavenhandels“.

1.1. „Kolonial-Gesellschaft für Südwest-Afrika“

Am 30. April 1885 wird die „Kolonial-Gesellschaft für Südwest-Afrika“ von über 70 deutschen Banken und Unternehmern gegründet, darunter 16 Firmen und Kaufmänner aus Mannheim und der Region.

  • „Rheinische Creditbank“
  • Bankhaus „W. H. Ladenburg & Söhne“
  • Bankhaus „Hohenemser & Söhne“
  • Bankhaus „Salomon Maas“
  • Tabakhandlung „Traumann & Co“
  • Pharmaunternehmer Ernst Boehringer,
  • Handelskammerpräsident Philipp Diffené,
  • Bankdirektor Karl Eckhard,
  • Tapetenfabrikant Hermann Engelhard,
  • BASF-Gründer Friedrich Engelhorn,
  • Bankdirektor Carl Funck,
  • Kaufmann Bernhard Herschel,
  • Kolonialwarengroßhändler Karl Joerger,
  • Maschinenfabrikant Heinrich Lanz
  • Ferdinand Scipio
  • Major a. D. Max Seubert
  • Dr. August Clemm aus Ludwigshafen
  • Zigarrenfabrik „P. J. Landfried“ aus Heidelberg.

Das Unternehmen übernimmt die unter dem Schutz des Deutschen Reiches stehenden Ländereien und Bodenrechte des Handelshauses „F. A. E. Lüderitz“ im südwestlichen Afrika, das in Konkurs geraten ist.

1.2. „Kamerun-Land- und Plantagen-Gesellschaft“

23. Juli 1885 Gründung der „Kamerun-Land- und Plantagen-Gesellschaft“ durch 26 deutschen Bankherren, Industriellen und Großkaufleuten. Aus Mannheim stammen:

  • Ferdinand Scipio (Initiator und Aufsichtsrat)
  • Karl Eckhard,
  • Karl Joerger
  • Karl Reiß

1.3. „Deutsch-Ostafrikanische-Gesellschaft“

1887 ist Scipio Mitgründer der „Deutsch-Ostafrikanischen-Gesellschaft“. Die Firma geht aus der „Gesellschaft für deutsche Kolonisation“ hervor, gegründet von Dr. Carl Peters, die 1885 in Ostafrika ein 140.000 Quadratkilometer großes Gebiet erworben hat.

Unterstützung für Carl Peters Peters brauchte zum Ausbau seiner afrikanischen Besitzungen mehr Kapital und geht 1886 auf Werbereisen durch Deutschland, wo er am 20. Mai 1886 in Mannheim spricht. Als der deutsche Kaiser finanzielle Beteiligung zusichert, gewinnt Peters zahlreiche weitere Geldgeber zur Gründung einer Aktiengesellschaft.

1887 werden die Statuten der Firma von Carl Peters von Fachleuten ausgearbeitet. Zu ihnen gehört auch Ferdinand Scipio. Er erwarb Aktien im Wert von 30.000 Mark. Die Einlagen aller Aktionäre beliefen sich auf mehr als 3,5 Millionen Mark. Scipio wurde in den 26-köpfigen Direktionsrat berufen.

1.4. „Neuguinea-Kompanie“.

Scipio wurde auch Teilhaber der 1885 gegründeten „Neuguinea-Kompanie“. Bisher haben wir keine weiteren Erkenntnisse dazu.

1.5. Schifffahrts-Unternehmen Woermann-Linie

Scipio beteiligte sich auch an der „Afrikanischen Dampfschiffs-Actien-Gesellschaft Woermann-Linie“. Die Reederei hielt zeitweise ein Monopol für Schiffsverbindungen zwischen dem Mutterland und den deutschen Kolonien in Westafrika. Als die Reederei 1895 in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt wurde, trat Scipio als Kommanditist (Teilhafter) mit einem Betrag von 102.000 Mark in das Unternehmen ein. Das Handelshaus Woermann war auch an der Gründung der ersten Plantagengesellschaften beteiligt.

1.6. Eigene Plantage: „Pflanzungsgesellschaft Scipio“

Am 7. September 1898 erwarb Scipio Ländereien von 2.000 Hektar im küstennahen Bezirk Victoria am Fuße des Kamerunbergs und gründete die „Pflanzungsgesellschaft Scipio“ mit einem Stammkapital von 500.000 Mark. Scipios Pflanzung war eine mittelgroße von acht deutschen Plantagen im Bereich des fruchtbaren Kamerunbergs.

Die Bewohner des Landes – die Bakwiri – wurden mithilfe des kolonialen Machtapparats rücksichtslos vertrieben und in enge Reservate mit meist schlechtem Boden abgedrängt. Der größte Teil ihres Landes wurde als „herrenlos“ bezeichnet und mit der 1896 erlassenen Kronlandverordnung in das Eigentum des Deutschen Reiches überführt.

Armut zwang die Bakwiri zur Arbeit in den Plantagen ausländischer Investoren. In Scipios Auftrag wurde eine Kakao-Plantage angelegt. Die Anlage von Kakao-Pflanzungen erforderte hohen Kapitaleinsatz, der sich erst nach Jahren rechnet. 1902 wuchsen dort rund 100.000 Kakaobäumchen. Die Kakao-Ernte belief sich 1906 auf 1.000 Zentner. Das erlebte er selbst nicht mehr, denn Scipio starb 1905 in Mannheim.

2. Aktivitäten von Wilhelm Scipio, dem Sohn und Erben (1869 – 1953)

Scipios Sohn Wilhelm führte die kolonialen Unternehmungen fort. Er trat 1905 in den Aufsichtsrat der „Kamerun-Land- und Plantagen-Gesellschaft“ ein und übernahm die 1912 zunächst an seine Mutter übergegangenen Anteile an der Woermann-Linie, die sich inzwischen sich auf 512.000 Mark beliefen. Er wurde Kommanditist des Unternehmens.

2.1 „Tabakbau-und Pflanzungsgesellschaft Kamerun“

1913 wurde Wilhelm Scipio in den Aufsichtsrat der neugegründeten „Tabakbau-und Pflanzungsgesellschaft Kamerun“ berufen. Die Anlage der ersten Tabakplantagen in Kamerun ging auf eine Initiative des aus Seckenheim stammenden Gouverneurs der Kolonie Theodor Seitz zurück, der den Geografen und Pädagogen Franz Thorbecke und auch zwei Zigarrenfabrikanten aus dem Rhein-Neckar Gebiet als Teilhaber der Gesellschaft gewann:

  • Wilhelm Landfried aus Heidelberg
  • Hermann Wellensiek aus Speyer

Was geschah mit dem Tabakanbau?

Wilhelm Scipio betrieb die geerbte Plantage in Kamerun weiter, die er in „Idenau-Pflanzung“ umbenannte. Ihre Anbaufläche wurde ständig erweitert (Anbaufläche 1907: 350 Hektar 1911: 450 Hektar) und mit neuen Pflanzen bestückt: Ab 1907 wurden auch Kautschuk, später Bananen und Ölpalmen angebaut. Den Grundbesitz der Plantage vergrößerte er auf schließlich 4.000 Hektar. Davon wurden 1914 1.500 Hektar bebaut. Das Stammkapital belief sich jetzt auf 1.000.000 Mark.

1913 wurde in der Zeitung Kamerun-Post über die Plantage berichtet:

„Idenau ist die Musterfarm von Kamerun und man sieht mit Staunen, was in unserer Kolonie erreicht werden kann, wenn nur die nötigen Mittel dafür zur Verfügung gestellt werden. Idenau pflanzt, wie alle Plantagen in der Gegend hauptsächlich Kakao, daneben Hevea- und auch Kixia-Gummi, ein ganz klein wenig Kaffee zum Eigengebrauch und in geringen Mengen Oelpalmen. Tadellos ist es nun wie auf Idenau jeder Quadratmeter Erdboden ausgenutzt und als Schattenpflanzen sowohl, wie auf neugerodetem Land vor allen Dingen Planten gepflanzt werden. Planten sind eine Art von Bananen gröbster Sorte und bilden das Hauptnahrungsmittel fast aller Kameruner Eingeborenenstämme. […] Die Arbeiterhäuser auf Idenau sind grosse, massive und luftige Betonhallen und entsprechen allen Anforderungen der Hygiene. Zum Schutz gegen Kälte und Regen kriegt jeder Arbeiter, übrigens auch auf Bibundi und den anderen besseren Pflanzungen, einen blauen Wollkittel und einen Südwester. […] Reizend sind die Häuser der weissen Assistenten auf den Vorwerken. Sie gleichen kleinen Villen, sind zum Teil von deutschen Architekten entworfen und enthalten gewöhnlich: Wohn-, Schlafzimmer, Badezimmer, Boystuben usw. […] Die Vorwerke kann man fast sämtlich mit der ‚Elektrischen‘ erreichen. Durch die ganze Pflanzung sind nämlich, wie überall, Schienen gelegt, auf denen bei der Ernte die Kakaolasten in grossen eisernen Kippkarren zum Trockenhaus gefahren werden. Die ‚Elektrische‘ ist nun ein leichter Wagen mit bequemen Sitzen für Passagiere, während hinten zwei Neger sitzen, die das Ding mittels Hin- und Herziehens einer Stange und Kettenübersetzung sehr schnell vorwärts bewegen.“ 62

Im Winter 1913/14 hielt sich Wilhelm Scipio mehr als zwei Monate selbst in Kamerun auf. Die An- und Abreise mit Woermannlinie dauerte jeweils drei Wochen. Es ist der letzte Besuch auf„seiner Plantage“. Denn wenige Monate später wurde der Erste Weltkrieg vom Zaun gebrochen.

Das Gebiet um den Kamerunberg wird schnell von den Kriegsgegnern eingenommen, das Gebiet der Idenau in Kamerun geht an Großbritannien. 1919 verliert Deutschland seine Kolonien und die deutschen Plantagenbesitzer werden entschädigungslos enteignet. Ihre Plantagen werden 1922 in London öffentlich versteigert. Die Idenau findet dabei einen neuen Besitzer.

2.2. Die „Fako-Pflanzungen GmbH“

Doch die ehemaligen Plantagenbesitzer gaben sich noch nicht geschlagen. Die meisten schloßen sich zur „Fako-Pflanzungen GmbH“ zusammen, darunter auch Wilhelm Scipio.

1924 durften bei einer erneuten Versteigerung in London auch deutsche Staatsbürger mitbieten.

Mit finanzieller Unterstützung der Reichsregierung und über einen englischen Strohmann erwarben sie im November 1924 mehr als ein Dutzend ehemals deutsche Pflanzungen.

Scipio übernahm die bei Victoria (heute Limbe) gelegene Plantage Oechelhausen, deren frühere Eigentümer kein Interesse an einem Rückerwerb hatten. Mit einer Größe von 4.490 Hektar konnte sie sich mit der Idenau messen. Bebaut wurden 1.137 Hektar vor allem mit Kakaobäumen und Ölpalmen. Ende der 1930er Jahre waren dort zwei Europäer und rund 100 Einheimische beschäftigt.

1945 bedeutete das endgültige Ende von Plantagen mit deutschen Eigentümern in Kamerun.

Literatur:

Albert Wirz, Vom Sklavenhandel zum kolonialen Handel. Wirtschaftsräume und Wirtschaftsformen in Kamerun von 1914

Sebastian Parzer: Der Mannheimer Kaufmann Ferdinand Scipio (1837–1905) – Gutsbesitzer, Bankengründer, Politiker und Kolonialunternehmer, in : Hermann Wiegand/Hiram Kümper/Jörg Kreutz (Hrsg.), Reformation – Aufklärung – Revolution – Emanzipation – Beiträge zur Kultur-, politischen Ideen- und südwestdeutschen Landesgeschichte. Festschrift für Wilhelm Kreutz zum 70. Geburtstag, Ubstadt-Weiher 2021, S. 249–262. ISBN 978-3-95505-251-5