Audre Lorde (1934 – 1992), Dichterin, Feministin, Aktivistin

„Ich bin nicht frei, solange irgendeine Frau unfrei ist, selbst wenn ihre Fesseln ganz anders sind als meine eigenen.“

„So etwas wie einen Kampf um ein einziges Thema gibt es nicht, weil wir kein Leben nach einem einzigen Thema führen.“

Audre Lorde

Audre Lorde (1934–1992) war eine Schwarze amerikanische Schriftstellerin, Dichterin und Aktivistin. Sie wurde in New York City als Tochter westindischer Einwanderer geboren und wuchs in Harlem auf. Sie hatte ein schwieriges Verhältnis zu ihren Eltern, aber schon früh erkannte man, dass sie hochbegabt war, und so gewann sie Stipendien und Unterstützung für den Besuch von Privatschulen, dem Hunter College und der Columbia University, wo sie einen Master-Abschluss in Bibliothekswissenschaft erwarb.

Lordes literarische Karriere begann in den 1960er Jahren. Ihr Schreiben konzentrierte sich auf Themen wie Rasse, Geschlecht, Sexualität und Identität. Zu ihren Gedichtsammlungen gehören „The First Cities“, „Cables to Rage“ und „Coal“, das 1981 mit dem American Book Award ausgezeichnet wurde. Sie schrieb auch Essays und Memoiren, darunter „Sister Outsider“ und „Zami: A New Spelling of My Name.”

Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit war Lorde eine prominente Aktivistin in der feministischen, lesbischen und Bürgerrechtsbewegung. Sie war Mitbegründerin von Kitchen Table: Women of Color Press, dem ersten US-amerikanischen Verlag für farbige Frauen, und Gründungsmitglied des Combahee River Collective, einer Schwarzen feministischen Organisation. Lorde war außerdem Professor für Englisch am John Jay College und am Hunter College in New York City.

Viele Jahre ihres Lebens kämpfte Lorde gegen den Krebs und schrieb über ihre Erfahrungen mit Krankheit und Sterblichkeit. Sie starb 1992 im Alter von 58 Jahren, aber ihr Vermächtnis als Schriftstellerin, Aktivistin und Verfechterin marginalisierter Gemeinschaften inspiriert und beeinflusst die Menschen auch heute noch.

Audre Lordes Zeit in Berlin

Ein weniger bekanntes Kapitel in Audre Lordes Leben waren ihre Zeit als Gastprofessorin an der Freien Universität Berlin, ihre wiederholten Besuche in Deutschland danach und die starken Beziehungen, die sie dort zu Schwarzen Frauen aufbaute, insbesondere als Mentorin von May Ayim und Katharina Oguntoye.
Auf der UN-Weltfrauenkonferenz in Kopenhagen 1980 hatte sie Dagmar Schultz kennen gelernt, eine Berliner Professorin und Aktivistin. Sie entwickelten eine enge berufliche und persönliche Beziehung. Schultz, die auch Filmemacherin war, ermutigte Lorde, als Gastprofessorin an die Freie Universität Berlin zu kommen. Lorde verbrachte 1984 drei Monate dort und unterrichtete einen Kurs über schwarze Literatur, einschließlich afrodeutscher Literatur und Poesie, und kehrte in den achtziger Jahren häufig zu längeren Besuchen zurück. Sie war beeindruckt von den Ähnlichkeiten zwischen den Erfahrungen Schwarzer in den USA und Deutschland, insbesondere in Bezug auf Rassismus und Diskriminierung. Sie schrieb in ihren Essays und Reden darüber und ermutigte afrodeutsche Aktivistinnen und Aktivisten, sich mit schwarzen Gemeinschaften in anderen Teilen der Welt zu vernetzen.

Obwohl die Zeit in Deutschland nur ein relativ kurzes Zwischenspiel in Lordes langem produktiven Leben als Dichterin, Schriftstellerin, Lehrerin und Aktivistin war, hatte Lorde einen nachhaltigen und tiefgreifenden Einfluss auf die Schwarze deutsche Gemeinschaft und war auch für Lorde selbst wichtig. Sie engagierte sich in der afrodeutschen Bewegung mit dem Ziel, das Bewusstsein für die Erfahrungen Schwarzer Deutscher und ihren Beitrag zur deutschen Gesellschaft zu schärfen. An der Entwicklung des Begriffs „Afrodeutsch“ war sie maßgeblich beteiligt. Sie nahm an Konferenzen und Treffen teil und erarbeitete mit afrodeutschen Aktivistinnen das Buch „Farbe bekennen: Afro-Deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte“. Es gilt als Klassiker der afrodeutschen Bewegung in Deutschland.

Lorde verstand, dass ihre eigene Befreiung und die Befreiung derer, die nach ihr kommen würden, mit der Befreiung afrodeutscher, afrofranzösischer, afroasiatischer, afroamerikanischer und afrikanischer Frauen überall verbunden war. Sie wusste, dass die wesentliche Arbeit des globalen Feminismus in der Verbindung besteht. 
„Wir müssen die Stärken der Visionen des anderen sowie die Waffen, die aus besonderen Erfahrungen resultieren, teilen. Wir müssen einander erkennen“, schrieb sie in der Einleitung zu Farbe Bekennen.

Lordes Zeit in Berlin wurde von ihrem Leberkrebs überschattet, der ihr große Schmerzen und auch emotionalen Stress bereitete. Sie hatte bereits an Brustkrebs gelitten und musste sich sowohl einer Operation als auch einer Bestrahlung unterziehen. Während ihres Aufenthalts in Berlin lernte sie einen deutschen homöopathischen Arzt kennen, der ihr riet, Efeu-Infusionen auszuprobieren. Sie entwickelte eine enge Beziehung zu diesem Arzt und spürte, dass die Infusionen ihre Schmerzen linderten. Sie starb einige Jahre später, 1992, an Leberkrebs, aber glaubte, dass die Zeit in Berlin ihr Leben verlängert hatte.

Lordes Zeit in Berlin prägte ihr Denken und Engagement und sie blieb für den Rest ihres Lebens mit der Stadt und ihren Menschen verbunden. Berlin hat Audre Lorde durch die Einrichtung einer Gastprofessur für Diversitätsforschung in ihrem Namen, durch die Führung eines Audre-Lorde Digital-Archivs an der Freien Universität und durch die Benennung einer Straße in Berlin-Kreuzberg nach ihr geehrt.

Unterstützt durch Lordes Beispiel begannen afrodeutsche Frauen, ihre Geschichte zu erzählen, sich schriftstellerische zu betätigen und politische Netzwerke im Namen der Schwarzen Menschen in Deutschland zu bilden. In der Folge veröffentlichten Autorinnen wie May Ayim, Katharina Oguntoye und Ika Hügel-Marshall ihre Werke. Der Film von Dagmar Schultz, „Audre Lorde – Die Berliner Jahre 1984 bis 1992“, skizziert Lordes Beiträge zum deutschen Diskurs über Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Homophobie innerhalb der Schwarzen Bewegung und der Schwarz-Weiß-Frauenbewegung. Interviews ergründen den nachhaltigen Einfluss von Lordes Ideen und den Einfluss ihrer Arbeit und Persönlichkeit.

Die Bedeutung von Lordes Zeit in Berlin sowohl für die afrodeutsche Bewegung als auch für Lorde selbst ist in den USA nicht sehr bekannt. Die maßgebliche Biografie „Warrior Poet – A Biography of Audre Lorde“ von Alexis de Veaux erwähnt dieses Kapitel ihres Lebens kaum. Es gibt jedoch einige hervorragende Ressourcen zu diesem Aspekt ihres Lebens, die online und im Audre-Lorde-Digital-Archiv in Berlin verfügbar sind. Die New York Times veröffentlichte 2019 einen Artikel über ihre Berlin-Aktivitäten.

Barbara Lutes

Für diesen Artikel hauptsächlich benutzte Quellen:
Alexis de Veaux: Warrior Poet – A Biography of Audre Lorde,
W.W. Norton & Company, New York 2006
Digitales Audre-Lorde-Archiv, John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien, Freie Universität Berlin https://www.jfki.fu-berlin.de/library/holdings/audrelorde/index.html
New York Times Artikel
https://www.nytimes.com/2019/07/19/travel/berlin-audre-lorde.html
Wikipedia-Beiträge zu Audre Lorde, Dagmar Schulz, May Ayim
https://chat.openai.com

Weitere interessante Online-Quellen:
https://www.exberliner.com/politics/lorde-afro-german/
https://lithub.com/what-audre-lorde-learned-in-berlin-about-afro-german-identity/
https://www.berlin-university-alliance.de/commitments/diversity/audre-lorde/index.html
https://www.jfki.fu-berlin.de/en/faculty/literature/news/Audre-Lorde.html
http://audrelordeberlin.com/