Frantz Fanon, 1925 – 1961, Autor, Freiheitskämpfer, Philosoph

Frantz Fanon wurde auf der von Frankreich kolonial beherrschten Karibikinsel Martinique geboren. Seine Familie ermöglichte ihm den Besuch des Gymnasiums, an dem er von Aimé Césaire unterrichtet wurde. Nachdem sich die Kolonialverwaltung von Martinique auf die Seite des Vichy-Regimes gestellt hatte, meldete er sich freiwillig zur französischen Armee, um gegen das nationalsozialistische Deutschland zu kämpfen. In der Armee musste er erleben, dass Schwarze Soldaten unter den Weißen standen. Nach dem Krieg studierte er Medizin und Philosophie in Lyon. Zu Beginn der 1950er-Jahre ging er nach Algerien und leitete dort die psychiatrische Abteilung einer Klinik.

1952 veröffentlichte er sein erstes großes Werk Schwarze Haut, weiße Masken. In dem Buch setzte er sich mit der Psychoanalyse, der Individualpsychologie, der Philosophie der Négritude und dem Existenzialismus Sartres auseinander. Er analysierte den Rassismus der Weißen und dessen Auswirkungen auf die Persönlichkeit der Schwarzen. Dazu wertete er Filme und Literatur ebenso wie Alltagssituationen aus und befragte hunderte Weiße verschiedener Nationalität. Er kam zu Schlussfolgerungen, die in der damaligen Zeit neu waren:

Weiße betrachten Schwarze als „biologische Gefahr“, im Unterschied zu Juden, die von Weißen als intellektuelle bzw. ökonomische Gefahr wahrgenommen werden. Schwarze werden mit Sexualität, Sport, Kraft, Wildheit, Tieren, Sünde und Teufel, oder auch mit Elend, Krieg und Hunger, assoziiert. Fanon geht davon aus, dass dahinter Projektionen von Ängsten und Minderwertigkeitsgefühlen sowie die Suche nach Sündenböcken liegen und stellt fest, dass sich Weiße verhalten, als ob die Schwarzen diese Eigenschaften wirklich hätten. Da die Weißen über die Deutungshoheit verfügen, üben ihre rassistischen Zuschreibungen einen „kulturellen Zwang“ aus, dem auch Schwarze ausgesetzt sind. Schwarze beginnen daher, sich mit Weißen zu identifizieren und von anderen Schwarzen abzugrenzen. Zitate aus dem Buch:

Ich beginne in dem Maße darunter zu leiden, kein Weißer zu sein, in dem der Weiße mir eine Diskriminierung aufzwingt, mich zu einem Kolonisierten macht, mir jeden Wert, jede Originalität auspresst, mir sagt, dass ich in der Welt schmarotze, dass ich mich so schnell wie möglich der Weißen Welt anpassen müsse, und ruft, ,wir seien wilde Tiere…, beweglicher Dünger, der Abscheu erregt, aber süßes Zuckerrohr und seidige Bauwolle verheißt’ (Zitat von A.Césaire). Dass ich auf der Welt keine Rolle habe. Dann werde ich ganz einfach versuchen, weiß zu werden.“

Und da geschah es, dass wir dem Weißen Blick begegneten. Eine ungewohnte Schwere beklemmte uns. Die wirkliche Welt machte uns unseren Anteil streitig.“

Dabei wollte ich ganz einfach ein Mensch unter anderen Menschen sein. Ich wäre gern glatt und jung in eine Welt gekommen, die unser war, um gemeinsam mit den anderen etwas aufzubauen.“

Fanon hob hervor, dass Aimé Cesaire und die Philosophie der Négritude einen Weg eröffneten, sich als Schwarzer auf Schwarze zu beziehen, sich aus der Abhängigkeit vom Weißen Blick zu befreien und eine Gewissheit über den eigenen Wert zu erlangen. Er lehnte es jedoch als gefährlichen Fehler ab, sich auf vorkoloniale Gesellschaften oder gar ein ,natürliches Wesen des Afrikaners’ zurück zu besinnen. Statt dessen setzte er auf eine aktive Auseinandersetzung mit der aktuellen Wirklichkeit:

In der Welt, in der ich fortschreite, erschaffe ich mich unaufhörlich.

Ich gestehe mir nur ein einziges Recht zu: vom anderen ein menschliches Verhalten zu verlangen.“

Ich habe nicht das Recht, mich fesseln zu lassen.“

Jedes Mal, wenn ein Mensch der Würde des Geistes zum Sieg verholfen hat, jedes Mal, wenn ein Mensch nein gesagt hat zu einem Versuch, seinen Nächsten zu unterjochen, habe ich mich mit seiner Tat solidarisch gefühlt.“

Nach dem Beginn des algerischen Unabhängigkeitskrieges schloss Fanon sich 1956 der Front de Libération Nationale (FLN) in Tunis an, wo er die Pressearbeit übernahm. Als Repräsentant der Provisorischen Regierung Algeriens besuchte er unter anderem Ghana, Liberia und den Senegal, um den Aufbau der unabhängigen afrikanischen Staaten zu beobachten und die dortigen Führer für eine gemeinsame Organisation der afrikanischen Nationen zu gewinnen. Dazu fanden auch Kongresse in Tunis statt, die Fanon mit organisierte.

1959 erschien sein Buch Im fünften Jahr der algerischen Revolution, das in Frankreich umgehend verboten wurde und nur im Untergrund vertrieben werden konnte. Fanon verarbeitete darin seine Erfahrungen aus dem antikolonialen Kampf des algerischen Volks, die Gespräche und Berichte, die er von Widerstandskämpfer*innen erhielt.

1961 erschien sein Hauptwerk Die Verdammten dieser Erde (Englisch: The Wretched of the Earth), das sich dem weltweiten Prozess der Dekolonisation durch den Kampf der Kolonisierten widmete, inspiriert von den nationalen Befreiungskriegen in Indochina, Indonesien und Nordafrika. In dem Buch verband er eine politische Analyse und Kampfschrift mit der Untersuchung von psychischen Störungen und von Kriminalität im algerischen Kolonialkrieg. Er rief dazu auf, etwas Neues aufzubauen und nicht dem Vorbild Europas zu folgen.

Wenn ich in der europäischen Technik und im europäischen Stil den Menschen suche, stoße ich auf eine Folge von Negationen des Menschen, auf eine Lawine von Morden.“

Nehmen wir die Frage des Menschen wieder auf. Nehmen wir die Frage nach der Realität des Gehirns, der Gehirnmasse der ganzen Menschheit wieder auf, deren Kombinationen vervielfältigt, deren Strukturen differenziert und deren Botschaften vermenschlicht werden müssen.“

Für Europa, für uns selbst und für die Menschheit, Genossen, müssen wir eine neue Haut schaffen, ein neues Denken entwickeln, einen neuen Menschen auf die Beine stellen.“

Fanon erlebte die Unabhängigkeit Algeriens nicht mehr. Nur drei Tage nach der Publikation von Die Verdammten dieser Erde starb er an Leukämie.

Quellen:

Frantz Fanon, Schwarze haut, weiße Masken

Frantz Fanon, Die Verdammten dieser Erde (The Wretched of the Earth)

http://www.bpb.de/gesellschaft/bildung/filmbildung/193512/frantz-fanon-die-verdammten-dieser-erde

Foto: Pacha J. Willka, 31.01.2012, CC BY-SA 3.0

Autorin: Gertrud Rettenmaier