Sie erhielt 2004 als erste Afrikanerin den Friedensnobelpreis. Damit wurde sie ausgezeichnet für ihren Einsatz für nachhaltige Entwicklung, Frieden und Demokratie und als Gründerin des seit 1977 aktiven Green Belt Movement. Die Idee der Grüngürtel-Bewegung resultiert aus der Erfahrung mit den Folgen der Bodenerosion durch die radikale Abholzung der üppigen kenianischen Wälder ab der Zeit des Kolonialismus und greift auf alte kenianische Methoden der Waldnutzung zurück.
In der Begründung für den Friedensnobelpreis formuliert das Nobelpreiskomitee 2004: „Frieden auf Erden hängt von unserer Fähigkeit ab, unsere lebendige Umwelt zu erhalten. Maathai steht an der Spitze im Kampf, die ökologische, soziale, ökonomische und kulturelle Entwicklung in Kenia und Afrika zu fördern. Sie hat eine ganzheitliche Auffassung von nachhaltiger Entwicklung, die Demokratie, Menschenrechte und vor allem Frauenrechte umfasst.“
Das Green Belt Movement setzt sich für die Anpflanzung verschiedener Baumsorten in unmittelbarer Umgebung der Wohnorte ein. Es fördert den Anbau von Obstbäumen, um eine energiesparende und gleichzeitig vitaminreiche Ernährung der Familien zu gewährleisten. Daneben liefern die Bäume Feuerholz, düngendes Laub, Honig und Rohstoffe für den Hausbau, für Zäune und Gebrauchswaren.
Im Jahr 2006 übernahm Maathai gemeinsam mit Albert von Monaco die Schirmherrschaft über die One Billion Trees Campaign der UNEP (United Nations Environment Programme). Die Kampagne gilt als großer Erfolg, im Juni 2023 vermeldet die UNEP fast 12,6 Milliarden gepflanzte Bäume weltweit. Die Grüngürtel-Bewegung ist seit Ende 2015 Partner bei der African Forest Landscape Restoration Initiative, die anstrebt, bis 2030 eine Fläche von 100 Mio. Hektar in Afrika aufzuforsten. So wirkt ihre Arbeit auch nach ihrem Tod fort.
Um es gleich vorweg zu sagen – Sie lesen von mir keinen nüchternen Vortrag über diese Frau, die ich bis vor Kurzem nicht kannte. Ich bin auf ihren Namen gestoßen, als wir vom Arbeitskreis Kolonialgeschichte Mannheim uns auf die Suche gemacht haben nach Menschen, die im kolonialen Zusammenhang zu sehen sind und deren Lebensleistung uns heute noch Vorbild sein können. Und Wangari Muta Maathai ist für mich ein solcher Mensch – obwohl sie 10 Jahre vor mir geboren wurde und inzwischen bereits seit 10 Jahren nicht mehr lebt, auf einem anderen Kontinent und unter völlig anderen Lebensumständen aufgewachsen ist und gelebt hat.
Was mich an ihr beeindruckt ist ihre Vision von einer besseren Welt, ihr Durchhaltevermögen trotz aller Rückschläge, ihre Begeisterungsfähigkeit und ihre Bodenständigkeit.
Darüber möchte ich erzählen bzw. Ausschnitte aus dem 2004 erschienen Buch von Stefan Ehlert zitieren. „Tief hängen die Regenwolken über den Bergen. Nur hier und da dringt ein Sonnenschein durch und beleuchtet die steilen Hänge, auf denen hellgrün der Tee leuchtet, dazwischen die dunklen Kaffeestauden. Bunte Kopftücher tauchen auf aus dem Meer von Grün. Die Teepflückerinnen sind bei der Arbeit – wie immer, wenn nach einem kräftigen Regenguss die frischen Teeblätter schießen. Grün ist die alles beherrschende Farbe an diesem Regentag in den Ausläufern der Aberdares-Gebirgskette. In allen denkbaren verschiedenen Tönungen leuchten die Wiesen, der Mais, die Bananenblätter, die Sträucher und Bäume. Geschlossene Waldflächen sind nicht zu sehen, dafür wird das Land viel zu intensiv bewirtschaftet. Aber in den feuchten Niederungen gibt es Büsche und große Sträucher, und die schlammigen Kammstraßen sind gesäumt von Eukalyptusbäumen.“ (S. 13)
Diese idyllische Landschaftsbeschreibung soll ein Bild vermitteln von Kenia, von der Landschaft, in der Wangari Muta Maathai aufgewachsen ist. Aber dieses idyllische Bild ist nur ein Teil der Wahrheit. Landknappheit bedrohte den sozialen Frieden schon in den 1930er Jahren, vor allem weil das fruchtbare Hochland den Weißen vorbehalten war und die Afrikaner in kleine Reservate verbannt wurden. Etwa 3000 weiße Siedler besaßen genau so viel Land wie eine Million Kikujus in den Reservaten. Die Geschichte Kenias als Kolonie beginnt 1885 mit einem deutschen Protektorat über die Besitzung Witu an der Küste des Sultanats von Sansibar. 1888 kam die Imperial British East Africa Company nach Kenia und verwaltete bis 1895 Britisch-Ostafrika. 1895 rief die britische Regierung Britisch-Ostafrika als Protektorat aus und gab 1902 das fruchtbare Bergland als Siedlungskolonie für Weiße frei. 1920 wurde Kenia offiziell zur Kronkolonie. 1963 wurde Kenia unabhängig von Großbritannien.
Wangari Muta stammt aus einem kleinen Dorf, 2080 m hoch gelegen. Sie hat fünf Geschwister und obwohl die Eltern selbst nicht lesen und schreiben konnten, war es für sie wichtig, dass all ihre Kinder – auch die Mädchen – die Schule besuchen. Durchaus ungewöhnlich. Die Familie gehört dem Stamm der Kikuju an – und für diese haben Bäume eine ganz besondere Bedeutung. Der Sage nach soll Gott dem Stammvater der Kikuju ein Stück Land gegeben haben, dessen Herzstück ein Feigenbaumwald war. Wer eine Familie gründen wollte, dem wurde vom Dorfältesten ein Stück Land zur Rodung zugewiesen. Aus Respekt vor den Bäumen ließen sie aber die Wurzeln der Bäume im Boden und pflanzten ihr Getreide um diese herum. Dadurch erodierte das Land nicht so leicht. Die weißen Siedler hingegen zerrten das Wurzelwerk aus dem Boden, damit sie das Land effektiver mit dem Pflug bearbeiten konnten. Mit den bekannten Folgen – Bodenerosion, weniger Wasser. Die Kolonialzeit hat somit die noch heute lebenden Generationen geprägt und wirkt bis heute fort.
Wangari Muta hat diese Zeit in den ersten 23 Jahren ihres Lebens miterlebt. Sie hat die Aufstände der Mau Mau erlebt und den Ausnahmezustand, den die Briten 1952 über das Land verhängten. Der Aufstand wurde niedergeschlagen, 11 000 Mau Mau Kämpfer getötet. Dass sich Großbritannien 1963 dann doch von seiner Kolonie trennte, hat aber vor allem damit zu tun, dass der Westen im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion die Kolonien zunehmend als Ballast empfand.
Wangari besuchte die Grundschule und dann die Oberschule in einem katholischen Internat, die Loreto Girls´ High School in der Nähe von Nairobi, wo sie 1959 ihren Schulabschluss machte. Dort wurde auch ihre Leidenschaft für die Naturwissenschaften geweckt. Aufgrund ihrer hervorragenden schulischen Leistungen kam sie in den sogenannten Kennedyzug. Das bedeutete ein Stipendium für das ebenfalls katholische Mount St. Scholastika College in Kansas, USA. Dieses war 1867 von deutschen Nonnen aus dem bayrischen Eichstätt gegründet worden. In eher klösterlicher Abgeschiedenheit widmete sie sich ihren naturwissenschaftlichen Studien. 1964 wechselte sie dann nach ihrem Bachelor an die Universität Pittsburgh in Pennsylvania. Ihren Master in Biologie machte sie in nur 1 ½ Jahren mit dem Schwerpunkt Tierphysiologie. In dieser Zeit entwickelte sich die Universität Pittsburgh zu einem Zentrum der feministischen Bewegung in den USA.
„Ich habe einige politische Versammlungen besucht, auch Demonstrationen, aber nur um zu lernen, ich war nie selbst aktiv. Ich wollte nur schnell nach Hause. Ich hatte Heimweh und so viele Jahre meine Familie nicht mehr gesehen.“ (S. 39) Zurück in Kenia erhielt sie eine Stelle an der Biologischen Fakultät der Universität Nairobi bei Professor Reinhold Hoffmann, der über den Deutschen Akademischen Auslandsdienst von Gießen nach Kenia entsandt worden war, um dort die veterinärmedizinische Fakultät aufzubauen. Im gleichen Jahr heiratete sie Mwangi Mathai, der ebenfalls in den USA studiert hatte und ebenfalls Kikuju ist. Wangari Muta heißt nun also Wangari Muta Maathai – sie schreibt ihren Namen aber anders als ihr Ehemann mit zwei „aa“, weil sie so diesen Namen besser an die Aussprache angepasst sieht.
Ein Jahr später wechselte sie auf Drängen Professor Hoffmanns zur Promotion nach Gießen und später dann nach München. Deutsch lernte sie im Rekordtempo. Im Münchner Umland lernte sie die Vorzüge nachhaltiger Forstwirtschaft kennen. Inzwischen haben wir das Jahr 1968 und auch jetzt wird sie ähnlich wie Jahre zuvor in Pittsburgh mit der feministischen Bewegung nun mit der Studentenbewegung konfrontiert. Über Ecken gibt es Verbindungen zu Rudi Dutschke und Wolfgang Abendroth. Aber auch jetzt wieder ist ihr Ziel, schnellstmöglich nach Kenia zurückzukehren. Ab 1969 ist sie dann wieder an der Universität in Nairobi, 1970 kommt ihr erstes Kind zur Welt, 1971 schließt sie bei Professor Hoffmann ihre Promotion ab. Die Verbindung zu ihrem deutschen Doktorvater und seiner Familie bleibt zeitlebens eng. 1977 wird sie zur Professorin an der Universität Nairobi ernannt und übernimmt die Leitung der Abteilung Veterinäranatomie.
„Ich habe eine Menge Rekorde gebrochen, sagte sie 1992 der Washington Post, ‘erste Frau hier, erste Frau da, ich habe wohl eine Menge Neid erzeugt, ohne es zu merken.’ Sie trat weiterhin den Kollegen und Studierenden freundlich und bescheiden entgegen. Auch den politischen Erfolg ihres Mannes ließ sie sich nicht zu Kopf steigen. Nach wie vor fuhr sie mit ihrem grauen VW-Käfer 1300 ins Büro, während andere Parlamentsgattinnen längst auf Mercedes umgestiegen waren.“ (S. 49) Aber sie hatte durchaus auch viele Enttäuschungen zu verkraften. Ihr Institut leidet unter Geldmangel und zerfällt zusehends und ihr Mann reicht die Scheidung ein. „Wangari, so sagt er, sei zu gut ausgebildet, zu stark, zu erfolgreich, zu stur und zu hart zu kontrollieren, um eine gute Ehefrau abgeben zu können. Sie hat niemals wieder geheiratet.“ (S. 54)
Dass Wangari Muta Maathai sich ihr Leben lang für Frauenrechte eingesetzt hat, hat aber nicht nur mit ihrer persönlichen Geschichte zu tun. Sie erlebt, dass Frauen in Kenia nicht nur die Last der Haushaltsführung bewältigen müssen, sondern auch verantwortlich sind für den Lebensunterhalt der Kinder zu sorgen, da die Väter häufig diese Verantwortung nicht übernehmen. Während in vorkolonialer Zeit die Ältesten sicher stellten, dass eine alleinstehende Frau ihr Stück Acker bekam, damit sie ihre Kinder ernähren konnte, haben heute Landraub und Bevölkerungswachstum Land zu einer umkämpften Ressource gemacht – nur vier von 100 Frauen haben einen Landtitel. Das einst fruchtbare Land ist durch Raubrodung geschwächt, die Erde der Erosion ausgesetzt. Wangari Muta Maathais Engagement für Bäume hat also ganz pragmatische Gründe. Das grundlegende Motiv für die Anpflanzung von Millionen Bäumen war für Maathai immer die Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung. All ihre Politikansätze haben sich um diese pragmatische Frage gedreht: Was nützt den Menschen? 1974 begründet sie zunächst eine kleine Baumschule unter dem Gedanken, Wohlfahrtspflege und Umweltschutz zu verbinden. Das Unternehmen war ein Flop, aber sie gab nicht auf. 1977 macht sie einen erneuten Versuch – dieses Mal ist ihr Projekt eng an den nationalen Frauenrat angebunden. Begünstigt wurde der erneute Anlauf durch die Tatsache, dass es gelang das UNEP für das Projekt zu gewinnen. Green Belt Movement – die Grüngürtel-Bewegung – setzt sich dafür ein, dass große Kreise von Bäumen rund um Schulen und Gehöfte gepflanzt werden.
„Am 5. Juni 1977, dem von der UNO ausgerufenen Welt-Umwelttag, versammelte sich eine honorige Gesellschaft in den Kamukunji-Grounds in Eastland, am Rande Nairobis. Es war eine höchst förmliche Veranstaltung. Nairobis Bürgermeisterin Margaret Kenyatta nahm daran teil, Wasserminister Julius Gikonyo Kiano und George Muhoho, Chef des staatlichen Umweltsekretariats. Sieben Bäume wurden an jenem sonnigen Tag gepflanzt, zu Ehren von sieben Nationalhelden, die sieben verschiedene Ethnien repräsentieren. Die Initiative sollte von Anbeginn einen multi-ethnischen Ansatz vertreten. Teil einer jeden Pflanzzeremonie war der gemeinsame Schwur, die natürlichen Ressourcen des Landes für künftige Generationen zu bewahren und die Wüstenbildung zu bekämpfen, die gleichbedeutend sei mit Dürre, Hunger und Tod.“ (S. 66)
Dieser hochoffizielle Start bedeutete aber keinesfalls, dass Wangari Muta Maathai als Person nun völlig ungestört ihr Projekt weiterentwickeln konnte. Ihr Ansatz aus basisorientiertem Umweltschutz, Frauenförderung und demokratischer Aufklärung wurde im Regime des langjährigen Diktators Daniel arap Moi zunehmend zu einer Gefahr für sie. Als ihr Doktorvater Hoffmann, der inzwischen wieder in Gießen lebte, sie 1992 in Nairobi besuchen wollte, war sie gerade von Polizisten krankenhausreif geprügelt worden. Aber auch wenn es in Kenia selbst zunehmend schwierig wurde für das Green Belt Movement, hat sich die Bewegung weiter ausgebreitet und wurde zu einer panafrikanischen Initiative. Erst nach 2002, als Daniel arap Moi abdanken musste, und Wangari Maathai in der neuen Regierung stellvertretende Ministerin für Umweltschutz wurde und vor allem nach der Verleihung des Friedensnobelpreises konnte sich die Bewegung in Kenia selbst wieder weiterentwickeln.
Für Wangari Muta Maathai spiegelt Kenia die Verhältnisse auf der Welt: die Spaltung in arm und reich, die Unterdrückung der Frau und die Missachtung der Menschenrechte. Schließen möchte ich mit einem Zitat von Klaus Töpfer, dem ehemaligen Umweltminister unter Kohl, später dann Direktor des UN-Umweltprogramms in Nairobi: „Wer die Natur zerstört, zerstört die Zukunft von Menschen und riskiert damit Konflikte, Spannungen, ja Kriege. Nachhaltige Entwicklung das ist vorsorgliche Friedenspolitik. Wangari Maathai – eine bewunderungswürdige Frau, die nicht nur protestierte und demonstrierte, sondern auch in dem Moment, in dem es möglich wurde, politische Verantwortung übernahm.“ (S. 7)
Quellen:
Wikipedia: Wangari Muta Maathai
Stefan Ehlert, Wangari Maathai – Mutter der Bäume, Herder Spektrum
Hildegard Klenk